beitrag von: ALRiegraf
Frau ohne Titel
Sie sah an sich herunter. Kurze Zehen in Ledersandalen; die Nägel dunkelrot lackiert. Morgen müsste sie geschlossene Pumps tragen. Die ganze Lackiererei war völlig umsonst gewesen. Sie würde einen Hosenanzug tragen, der mehr kostete, als sie in zwei Monaten zum Leben brauchte und trotzdem an den Hüften kniff. Außerdem würde sie die Haare so fest zusammenbinden, dass es Kopfschmerzen verursachte.
Trotz aller Prüfungsangst fürchtete sie sich am meisten davor, in diese Verkleidung zu steigen. So zu tun, als wäre sie eine von ihnen: Eine der attraktiven jungen Menschen, die an einem lauen Sommertag nichts lieber tun, als das historische Pandektensystem oder -noch schlimmer- das aktuelle Kapitalmarktrecht zu analysieren.
Sie seufzte, öffnete den Lack und schrieb in dicken roten Buchstaben „Es ist was es ist“ auf ihren linken Fuß.
Denn es war, was es war: Mit Sicherheit nicht das, was Erich Fried damals beschrieb. Doch das sollte morgen keiner sehen.
review von: peter rosei
wieder sehr gut erzählt. wieder kleine schlampereien, etwa muss es heißen: ... verursachen würde.
die große frage ist allerdings, ob die "heldin" sich tatsächlich "fürchtet" in diese verkleidung zu steigen oder ob ihr eher übel beim gedanken daran wird, ob sie es gar hasst, sich so zu verkleiden? davon hängt im weiteren alles ab.
der fried-verweis hängt in der luft.
der fried-verweis hängt in der luft.