beitrag von: Boris_Greff
Klage und Eloge
Mein Licht brannte am hellsten
ich war ihm am nächsten
seine Liebe überstrahlte alles
loderte heller als alles Feuer
alle wollten in seiner Nähe sein
wie sie an seinen Lippen hingen
ihm kann man nicht böse sein
alle himmelten ihn an
beteten ihn an
sie glühten für ihn
verglühten wie die Motten
alle wollten so sein wie er, restlos alle
niemand gab es zu, niemand
außer mir...
waren doch immer einig und eins,
niemals uneins waren wir;
zart nahm er mich
bei den Schultern
-ich war ihm ja näher als alle anderen
mich mochte er am meisten-
höre noch immer seine silbenreinen Worte:
"Für Dich habe ich etwas Besonderes!
Du brauchst etwas anderes als diese Wolken hier,
als diesen Nebel und diese Luftfeuchtigkeit...
ich brauche Dich woanders, wo es warm ist,
wo du mit noch mehr Leuten als hier zu tun hast
- und Du allein hast dort das Sagen!"
So wurde ich,
sein Freund und Vertrauter
sein Herzliebling,
sein Augapfel -
so wurde ich,
Luzifer,
einfach
weggelobt.
review von: nora gomringer
Fein! Die Werdung des Luzifer! Das ist ganz gut. Dieses Weggelobt-Werden, nachdem man so nah am Licht und am Heil sein durfte. Es muss ihn schrecklich getroffen haben, wir haben täglich mit seinem ihn so kreativ machenden Missmut zu kämpfen. Religionspessimistisch ist das Verglühen der Gläubigen „wie die Motten“. Stärker fände ich auf das glühen das reine verglühen, also ohne die Motten. Und vielleicht eine Parallele am Ende? So wurde ich,/ Luzifer,/vielgelobt,/weggelobt. Schönes Rätsel am Morgen. Musste zweimal lesen und hätte mich fast blamiert mit meiner ersten Lesung und Interpretation. Aber vielleicht ja auch mit dieser hier… Herzlich, NG