beitrag von: TineM
Loblied, ein letztes Mal
Ich kämme dir die Haare
und schnüre zum letzten Male
deine Schuh,
du bist immer noch du.
Auch wenn du nicht mehr weißt,
dass ich einst auf deinem Schoss gesessen;
Du hast gescherzt und ich,
ich habe den Schmerz vergessen.
Du bist immer noch du.
Oft bist du neben mir gelegen,
hast ruhig geatmet und geruht
hast Tempo
aus dem Alltag genommen.
Nicht alles lief so,
wie du wolltest,
Manchmal war`s hart
und manchmal ganz leicht.
Du warst immer nur du.
Du hast dein Bestes gegeben,
Werte und Liebe gestreut;
und niemals;
niemals bereut.
Wenn deine Augen nun nach innen schauen,
du gebrechlich bist
und deine Erinnerungen im Kopf
deinen Neuronen nicht trauen,
du bist immer noch du.
Trotz deinen Fehlern warst du eine gute Mutter.
Vorbild in unserer Zeit.
du hast gesagt, was du dachtest,
und darauf geachtet, dass aus uns etwas wird.
Bei deinen letzten Atemzügen,
liegst du neben uns.
Die Kleine wärmt deine Beine; die Große tröstet dich;
ich streichle deine Hände und staune
Du bist immer noch du!
review von: nora gomringer
Was für eine liebevolle und klarsichtige Ehrung der Mutter. Sie gelingt in bestimmten Versen poetisch, mal ist sie einfach (in 3. und 4. Strophe) eine betrachtende und jeweils am Ende durch den Vers: besiegelnd. Der Rückblick in den erwähnten Strophen wird durch die Varianz dieser Formel verstärkt. Ein guter Effekt. Ihr Text ist nicht avantgardistisch, aber beständig und erinnert mich – auch wegen des Themas natürlich - an Bill Wither’s Song „Grandma’s Hands“. Die Aufzählung eines Enkels, der pars pro toto die Hände seiner Großmutter beschreibt und anhand all ihrer Tätigkeiten, die Erinnerungen, die sie ihm schenkten. Auch Tucholskys „Mutterns Hände“ funktioniert so. Der Titel ist sehr gut gewählt, setzt den Ton. Eine weitere Varianz in der Nähe der Neuronen würde vielleicht eine weitere Ebene öffnen: wir fragen dich/ bist du immer noch du? – Dies von meiner Seite natürlich ein Vorschlag, der aus meiner eigenen Pflegeerfahrung stammt. Das Hineinrufen in einen ausgehöhlteren Körper, in dem Erinnerungen und Geist wie Murmeln umherkreisen. Es ist Ihr Loblied und ich danke Ihnen, dass ich es lesen durfte. Ihre NG