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der wilhelmsschrei aus deinem mund – wenn autofiktion & horror zusammentreffen!

beitrag von: Margott

Nachsprechtiere

Für mich habe ich sie nicht bestellt, sondern für das Altersheim, in dem eine Bekannte arbeitet. Die Alten finden sie niedlich und brauchen Zuhörer. Noch dazu, wenn sie alles nachplappern. Ist doch nichts anderes als aktives Zuhören. Ich sitze im Wohnzimmer auf dem Boden. Mich umzingeln drei Hamster, ein Murmeltier und eine Giraffe. Ich sage: „Hallo!“ Die Tiere begrüßen mich im Chor, chipmunkesk. Für diese Viecher scheint es nur eine Sprecherin zu geben. Das Murmeltier und die Giraffe klingen also identisch, was sich intuitiv besonders falsch anfühlt. Sie imitieren sogar das Knistern der Folie, in die sie eingepackt waren und die ich achtlos in eine Zimmerecke geworfen habe, wo sie sich langsam entfaltet. Die Tiere knistern mit der Stimme. „Das Messer," sagen sie. Blutet es aus der Naht über dem linken Murmeltierauge? Sie tanzen, wenn sie sprechen. Summende Mechanik. In einem absurden Theaterstück wäre an dieser Stelle zu onanieren. Aber ich lache nur nervös und fünf Tiere lachen mit.

review von: peter waldeck

Auch dieser Text ist nichts weniger als perfekt. Von der Grundidee, Nachsprechtiere als Zuhörer fürs Altersheim zu casten, bis zu den kleinen Störern (Nachsprechen des Knisterns, Erwähnung des Messers, blutende Naht). Aber als wäre das nicht genug für helllichte Freude, kommt dann auch noch kurz vor Schluss die beglückende Stelle „In einem absurden Theaterstück wäre an dieser Stelle zu onanieren“. Intuitiv merkst du aber auch, dass der Satz zu stark wäre, um den Abschluss dieses Textes zu geben, und setzt gleich einen leiseren hinter, der als Fade Out sehr gut funktioniert. Bravo!

Du darfst noch 5 Texte bis morgen einreichen, ich sag's nur.