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der wilhelmsschrei aus deinem mund – wenn autofiktion & horror zusammentreffen!

beitrag von: BOA

Letzter Besuch bei Mutter (Teil 2)

In ihren letzten Wochen verbrannte sie Rechnungen, später Mahnungen und noch später Geldscheine. „Besser ich verbrenn’s, als dass du glaubst, du erbst es! Dann kann ich mir wenigstens sicher sein, dass du mich nicht vergif‘st“. Die Pflegerinnen, die zweimal am Tag kommen um Wein und Zigaretten ans Bett zu bringen und den Topf zu leeren, beschimpft sie als „Ludern“; als Brut, die ihr nichts recht machen, die ihr die Zigaretten nicht geben und ein Glas Wasser statt Wein. Sie speit ihnen vor die Füße an guten Tagen und bespuckt sie an schlechten. Am 1.5.2014 erhalte ich um 06.00 früh eine SMS-Nachricht. „Komm sofort nach Mutter schauen“. Ich fahre los und finde meine Mutter tot im Bett. Woran sie gestorben sei, fragt mich die Totenbeschau-Ärztin. „Woher soll ich das wissen?“ meine Antwort. Im Totenschein steht Herzversagen. Das Weinglas war noch halbvoll, Bargeld wurde keines gefunden. Eine Abschlussrechnung der privaten Pflegeeinrichtung habe ich bis heute nicht erhalten. 

review von: peter waldeck

Wow, welch gute starke Fortsetzung. Erst dachte ich mir noch: jetzt fehlt mir wieder der Horror, aber bei genauem Hinsehen, entdecke ich, dass hier doch einiges aus der Bahn ist: Die zwei Pflegerinnen, die der Mutter Wein und Zigaretten bringen sowie ihre Notdurft entleeren. Das ist doch off und gruselig. Dann am Schluss das Mysterium mit der nicht gestellten Rechnungen. Danke für den Text! Wieder sehr gelungen!