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der wilhelmsschrei aus deinem mund – wenn autofiktion & horror zusammentreffen!

beitrag von: BOA

Besuch bei Mutter

An ihrem 80.Geburtstag im Juli erzählte sie mir vom gestrigen Schneesturm; dass ein Löwe sie besucht hätte und dass sie die tote Taube füttere. Sie kaufte Rosen, um sie aufs Fensterbrett zu stellen, für den Verehrer in der Wohnung gegenüber, der ihr Lichtsignale als Liebesschwüre sandte – Licht an, aus, an, aus… „Verstehst du das denn nicht, mein Kind?“ Sie trug blauen Lidschatten auf dem einen, grünen auf dem anderen Auge, die Lippen, oder wo sie dachte, dass sie wären, waren pink, die Wangen knallrot und die Perücke schwarz. Die blickdichten, immer zugezogenen Vorhänge wurden nur geöffnet um die Rose zu wechseln. „I have a dream“ und „Fernando“ lief zu laut in Endlosschleife. Sie aß nur mehr Zitronenkuchen, am Morgen ein Schluck Tee, dann Weißwein. Die leeren Doppler standen Spalier neben den vollen. Sie rauchte ihre langen Kim kaum mehr zu einem Viertel – unzählige weiße Filterstummel mit orangen Kringeln lagen zerdrückt in den übervollen Aschenbechern wie Tote in einem Massengrab.

review von: peter waldeck

Sehr gut und genau beobachtet und wunderbar erdrückend geschrieben, ich fühle mich wie nach einem Besuch bei Ulrich Seidl. Außerdem: Ich liebe Strichpunkte! Bonuspunkte für den gelungenen Einsatz.

Der Autofiktionsteil ist jetzt aufs Beste abgehakt, bei jedem anderen Kurs wärst du schon mit Jubelpunkten aus dem Schneider, aber wir wollen ja in diesem Kurs Autofiktion mit Horror vermählen: Hast du Lust auf bzw. fällt dir für das Ende noch eine Wendung ins Groteske, Dunkle, Makabre ein? Subtil oder brachial, ganz wie du magst.

Dann wäre es perfekt.

Die Produktionsfirma A24 schafft es immer wieder, realistische Independent Movie-Szenarien in ausgefuchste Horrorfilme zu überführen. Und es gibt auch einen schönen Film "The Relic" von Natalie Erika James, in dem eine Tochter in die bedrohlichen Geisteswelten ihrer dementen Mutter gezogen wird.

Weiß dein Protagonist schon, dass die Mutter nicht mehr lange alleine leben wird können?
Alexandra Bolena sagt
10.10.2023 21:22
Wow, Danke für das umfassende und positive Feedback. Ohne Strichpunkte geht gar nichts ;-) und in der Gesellschaft von Ulrich Seidl fühl ich mich als Autorin mit diesem Thema sehr gut aufgehoben. Relic kommt auf die Watchlist! Die Protagonistin weiss, dass die Mutter nicht mehr alleine selben sollte, aber die wiederum will das nicht wahrhaben... bis zum grotesken Ende..Dunkle Wendungen und makabre Episoden gibt es noch genug, zumal die Schreibübung "nur" ein Spotlight auf ein Romanprojekt wirft, das mehr oder weniger fertig ist. Aber 1000 Zeichen sind recht wenig und kürzen wollte ich den Text nicht....Ich werde aber gern einen "part two" als Fortsetzung verfassen und noch ein weniger tiefer in den Wahnsinn eintauchen um die Autofiktion mit dem Horror zu vermählen:-).