beitrag von: SofieMorin
Das Problem der Schwiegermutter – 2. Akt
Ich habe mich schon von klein auf innig für das interessiert, was sich nicht gehört. Mordfantasien zählten definitiv dazu. Insbesondere, wenn der Überschwang sie in ein komisches Kleid steckt. Da waren Kopfbilder von nicht ganz so geschickt herbeigeführten Toden: grotesk verrenkte Leiber in Technicolor, Fleisch, das klafft, wo es nicht soll, Blutflüsse, als wäre Gerinnung etwas für Hasenfüße.
Konsequent habe ich dann später im Leben Leichen seziert: Das Auge knapp überm Okular, bezirzt vom analytischen Geist des Studiums.
Den Sinn von unblutigen Toden habe ich nie verstanden.
Im Zug nach Berlin bin ich allerdings darauf bedacht, dass meine Mitreisenden mir das nicht anmerken – und schlage zugleich Gemälde von Artemisia Gentileschi im Netz nach. Barock überzeichnete Gewaltakte zwischen Lust und Komik. Es ist anzunehmen, dass Rachegelüste der Zündfunke dieser Leinwandmorde waren. Die Malerin hat bildhaft so einige Vergewaltiger getötet. Erstaunlicherweise keine einzige Schwiegermutter.
review von: rebekka kricheldorf
aha, die große schwiegermutter-abrechnung ist ein literarisches projekt epischeren ausmaßes! in diesem fall ermutige ich, sich den raum zu nehmen, größere, detailliertere, groteskere mordfantasien zu zeichnen. statt verweisen auf die bilder gentileschis lieber eigene gemetzel zaubern (show, don't tell...). der angeschlagene poetische mary-shelley-ton wird an einigen stellen von zu vielen fremdwörtern ("definitiv", konsequent") gestört, da könnten sie ruhig ein bisschen genauer hinhören und sorgfältiger dichten. "den sinn von unblutigen toden hab ich nie verstanden". ein roman, der mit diesem satz begönne, hätte sofort meine volle aufmerksamkeit. da die schwiegermutter sogar die vergewaltiger toppt, muss der hass auf sie sehr tief sitzen. man wird langsam neugierig, was dahinter steckt...