beitrag von: JoernB
Das letzte Readymade
Als die Stadt eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich zu einer ungeheuren Kunstarena verwandelt. »Was ist mit mir geschehen?«, dachte sie. Es war kein Traum. Das Kaufhaus lag ruhig in der wohlbekannten Zone der Fußgänger. In der Kühle des Morgens räumten die Angestellten alle Waren ins Freie; Künstlerinnen nahmen dort jedes einzelne Stück sorgfältig in den Blick, trugen alles langsam wieder hinein und füllten damit die leeren Regale in einer unbekannten Ordnung.
Als die ersten Kunden die ehemaligen Verkaufsflächen betraten, fanden sie sich ebenfalls verwandelt – in Besucher einer Ausstellung. Das Fehlen der Preisschilder irritierte sie; lange Erläuterungen in einer Sprache, die sie nicht kannten, waren an ihre Stelle getreten. Die Kaufhausdetektive achteten nun darauf, dass niemand die Waren berührte. Einige Verkäuferinnen organisierten spontane Führungen durch die Ausstellung.
Seit diesem Tag gab es keine Readymades mehr.
review von: peter rosei
nette idee! die unbekannte ordnung machen die ketten allerdings ohnehin, damit du suchen musst und noch mehr konsumierst. noch nie eröebt?
umschlichten würde ich das von normalen arbeitern lassen; wozu von künstlern?
den letzten satz würde ich jedenfalls weglassen; da gibt es ohnehin deinen titel.
Das Umschichten machen die Künstler, weil in der Regel erst durch ihr "Handanlegen" aus der normalen Ware ein Readymade wird. Man könnte natürlich überlegen, ob die lagerarbeiter eine entsprechende Metamorphose machen.
Das mit der unbekannten Ordnung stimmt im Grunde. Da muss ich vielleicht noch was hinzufügen...