die textförmige hängematte eines bizarren augenblicks / abschlusswort
zum schluss
zum schluss möchte ich mich bei ihnen allen für die teilnahme und die (großteils) tollen – jedenfalls individuellen und extrem vielfältigen texte bedanken.
dass ich nicht mit lobeshymnen auf spam reagiere, der nur einen blog bewerben soll, wird man mir hoffentlich nicht verdenken – das ist in einer werkstatt fehl am platz.
ansonsten hoffe ich, dass ich niemanden zu sehr vor den kopf gestoßen habe. ich kann meinen geschmack nicht ändern und deswegen brauchte ich ihre ziele, um demgemäß möglicherweise hilfreich sein zu können, auch wenn ich persönlich auf ganz andere sachen stehe. ich versuche, die gedanken unterhaltsam und temperamentvoll auf den punkt zu bringen, dass sie auch plastisch und greifbar werden.
bei der aufgabe der kritik von texten sitze ich sicherlich einer – nicht nur einer – idée fixe auf. wir leben ja alle in einer welt, wo man nicht vom sich-selbst-ausdrücken leben kann und das finde ich auch komplett ok. es ist ein mythos, dass das gehen soll. das heißt, wir stecken alle in broterwerbssituationen und haben vielleicht zeit für gelegentliche, flüchtige blicke auf die wilden und schönen dinge, die passieren, wenn man mit sprache losschwimmt. und dann soll das beurteilt werden? das wäre absurd, wenn sprache nicht eben das medium wäre, mit dem wir in fast allen lebensbereichen zu tun haben, und das unsere geheimsten wahrnehmungen und obssessionen mit diesen konkreten zusammenhängen und mit dem allgemeinen verbindet. dadurch ist es auch so eine heikle und empfindliche sache. und so wie sie empfindlich sein dürfen, so ich ja auch, bin ja wegen der sprachlichen empfindlichkeit eben schriftstellerin, und ich sage mit absicht empfindlichkeit und nicht empfindsamkeit oder sowas rein nett konnotiertes, weil diese empfindlichkeit oft etwas idiosynkratisches hat, das nicht allgemein zu vertreten ist und das vor allem unangenehm werden kann, wenn es plötzlich institutionalisiert wird, normierend wirkt, in ein urteil eingeht. und deswegen, ich hoffe sie werden es verstehen, bleibe ich lieber bei wilden und manchmal persönlichen ausdrücken, und betone sogar das übertriebene und launische meiner meinung, um nur nicht von einer normierenden perspektive aus zu sprechen. das ist der grund. falls sich jemand fragt.
zeit.
selbst durchökonomisiert, vor allem über die zeit, die mir immer, wie auch die sinnliche erscheinungsform von allem, als etwas unendlich luxuriöses erschienen ist, über das ich wie jeder so unbegrenzt verfüge, wie keine herrscherin je über etwas verfügt, sondern wie nur z.b. eine sklavin der liebe über die liebe verfügt: also gebeutelt und gequält auch von den möglichkeiten, vom versagen darin, und doch immer weiter mit chancen, sich darin zu verhalten, beschenkt.
nebst dem gespenstischen und unberechenbar sich in aufmerksamkeitszustände übersetzenden zeitdruck bin ich auch getrieben von einer wahrscheinlich riesigen angst vor schlechtem schreiben – und vor zeitverschwendung, die sich in hass auf das appellative, das zwingende, das aufmerksamkeit erschleichende, das benutzen von sprache, um irgendwelche bedürfnisse zu befriedigen –
– aber wozu denn sonst? das sind innere strudel in mir. das bleibt ungeklärt. das ist ein problem, das ich mit allen gemeinsam habe, fürchte ich.
es macht alles noch schlimmer, wenn man im besprechen eines textes nicht daran vorbeikommt, den autor zu besprechen, dessen wünsche zu beurteilen, und wem stünde das denn zu?
an diesem format habe ich schätzen gelernt und versucht, zu nutzen, dass sie wie ein leeres klassenzimmer ist, in dem sich alle beteiligten nachrichten hinterlassen. so kann man auch scheu überwinden, so ist auch der druck, dass einem in einem begegnungsmoment beim denken und reagieren unter zeitdruck zugeschaut wird, genommen. es ist ruhe da für einen zweiten, dritten, und vierten blick, und ich habe mir die zeit gerne genommen.
letztlich bleibt unklar, was wir einander beitragen können. das medium sprache erlaubt indirekte kommunikation über die bande des allgemeinen. nur so wird das alles ja überhaupt diskutierbar.
kann sein, dass mich, diese klasse zu halten, mehr gefordert und erschüttert hat als sonst jemanden, der sie in die schublade gesammelter eindrücke und reaktionen legen kann. ich danke ihnen nocheinmal dafür, dass sie mir ihre texte gezeigt haben, und hoffe, ich konnte mit dem einen oder anderen hinweis behilflich oder unterhaltsam sein.
ann cotten, november 2020