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halt’s maul, wasserhahn!

beitrag von: manir

tb

liebes arschloch!
seit bald 20 jahren schreibe ich an dich. an dir? oder heißt es überhaupt in dir? während menschen da rausgingen und lebten, saß ich über dir und versuchte das zu verarbeiten, was ich nicht kann: leben eben. sagt doch alles über mich: statt mich mit guten, schönen, klugen menschen auseinanderzusetzen, die mich bereichern könnten, kommunizierte  ich stattdessen mit dem einzigen arschloch im raum. vielleicht warns auch zwei.
weißt du noch - wahrscheinlich besser als ich -, als ich begonnen habe? canettis „provinz des menschen“ , frischs „tagebuch 1966 - 1971“. reflexion und kunstform. erinnerung (die nächste depperte sau!) und verarbeitung. warum, arschloch, sind anderer leute arschlöcher so viel schöner?!
ja klar, du spielst den ball zurück, spiegel, sagst du; was man ist, das ist man, was man isst, das scheißt man, du selbstgerechter wichser!
jetzt ist schluss, mir reichts. seit jahren träume ich davon, werde es jetzt zu ende bringen, werde dich auf ein flösschen bahren, dich anzünden und in die weiten der donau entlassen. vielleicht werden es mehrere flösschen, du bist viele geworden, lauter kleine arschlöcher. 
weißt du – das gebe ich dir mit auf dem weg, damit du nicht zufrieden gehst -, ich hab etwas anderes entdeckt, etwas, das viel besser als du funktioniert, das mir auch was zurückgibt, nicht deine gleichgültigkeit besitzt: ich twitter jetzt, du arschloch! ciao.

review von: stefan slupetzky

prägnanter als in der anrede könnte man die hassliebe, die man als schreibender mensch zuweilen für seine texte empfindet, nicht formulieren: liebes arschloch!
gefällt mir. auch die deftigkeit der wortwahl finde ich hier angemessen: selbstzweifel sind für schriftsteller und schriftstellerinnen das schlimmste - und trotzdem alltäglich. schlimmer kann nur noch eine so genannte schreibblockade sein. oder, um beim vergleich mit dem arschloch zu bleiben: eine veritable verstopfung.