sie sind hier: startseite / alle beiträge / Exodus

der diskrete charme der funklöcher

beitrag von: trivialpoet

Exodus

Nachdem er denn Ereignishorizont des Funkloches überschritten hatte, fiel alle Zumutung aufgezwungener Kommunikation von ihm ab. 
Von einer royalen Unerreichbarkeit geadelt, entwand er sich den elektronischen Fesseln und trat in die Morgenröte eines vom Diktat immerwährender Gegenwart befreiten Moments. 

Unmittelbar hinter ihm versuchte ein militanter Wischmob mit in die Luft gestreckten Händen die letzten Fragmente jener mythischen Welt aufzusaugen, deren Hoheitsgebiet er gerade verlassen hatte. 
Hier in der Enklave lebten die Unsichtbaren. 

Vom Wind bewegte Bäume wischten mit belaubten Fingern im blauen Display des Himmels über anarchistisch geformte Cloud-Icons. 
Um ihn herum ein Augenblick von fast magisch scheinender Pixeltiefe. 

Indem er dies alles in sich aufnahm, wuchs in ihm zusehends der Wunsch, diesen Moment mit jemandem in der anderen Welt zu teilen. 
Er fasste sich in seine Jackentasche ...

review von: heinrich steinfest

Da stecken viele wunderbare Bilder drin – herrlich, der militante Wischmob –, die aber dennoch nicht von der eigentlichen Geschichte ablenken.
Das scheint mir diesmal noch besser gelungen als bei Ihren bisherigen Texten (siehe „geniale Attitüde“), die Vereinigung poetischer Kraft (gar nicht trivial) mit Textverständlichkeit und Erzählstrang. 
Worüber ich allerdings gestolpert bin (woran freilich auch der Stolpernde selbst schuld sein kann) ist die Formulierung der anarchistisch geformten Wolken. Sollte da nicht eher von anarchisch geformten Wolken oder wild geformten Wolken die Rede sein?
Michael Köhler sagt
18.04.2021 11:51
anarchisch vs. anarchistisch // der Prozess der Selbstähnlichkeit führt in der Natur zu wild geformten Wolken, gegenüber der künstlichen Ordnung der Pixelgrafiken ist diese Haltung eher anarchistisch – so meine ich, aber möglicherweise bin ich da ja auf dem Holzweg.

Lieber Herr Steinfest, wenn ich so sagen darf, vielen Dank für Ihre Rückmeldungen und Korrekturen!
heinrich steinfest sagt
18.04.2021 12:58
„Dieser Einwand“, sagt grad meine Frau zu mir, „ist viel schöner als deiner.“
Da hat sie recht. Also gar nicht auf dem Holzweg. Aber die Erklärung war dennoch nötig, weil weiterführend. Es lebe die anarchistische Wolke! Erst recht am Sonntag.
Michael Köhler sagt
18.04.2021 13:21
Der Mensch schwingt im Slalom den Hang der Wahrnehmung hinab.
Pure Prosa, die Stangen, lyrisch gestaltet, die Schwünge, die immer wieder zu den Stangen zurückführen.

Nur ergänzend zur "Wolkendiskussion" (ganz prosaisch) – aus einer externen quelle:
...
"Wolken sind keine Kugeln, Berge sind keine Kegel" argumentierte Mandelbrot.

Seine Aussage wird weiter durch den Umstand unterstützt, dass mathematische geometrische Figuren im allgemeinen (die Strecke ausgenommen) das Prinzip der Selbstähnlichkeit nicht aufweisen im Gegensatz zu den Formen in der Natur. ….
Quelle: http://www.physik-multimedial.de/...