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der diskrete charme der funklöcher

beitrag von: Rouven

Offline Online

„Edward Snowdens Mobiltelefon ist ausgefallen.“ So richtig. Nicht so, wie er immer warnte, dass es heimlich weiterfeuere, hinterrücks private Daten verpetze, dem Sendemast mit größter Proximität ohne Unterlass seinen Standort übermittle, auch wenn es ausgeschaltet sei. Nein, terminal, wie seine ehemaligen NSA-Kollegen das Tatsächliche zu nennen pflegten. Edward hasste es, dass ihn seine innere Stimme immer in der dritten Person erwähnte und nun war er auch noch ohne Empfang. Ohne direkte Kommunikation zu jemanden, der ihn duzen wollte, oder wenigstens siezen mit Glück on a first name basis, depending on the language. Scheiß Isolation. Scheiß Whistleblowing. Scheiß internationaler Scheiß! Er hatte vorgehabt auf der medialen Welle der Pandemie zu surfen, sein Ding zu machen. Neue Aufmerksamkeit kritischer Zeitgenossen für seine Sache. Ein tägliches Interview über sein Spezialtelefon. Ein gehacktes 6s mit Subrouter-VPN und herausgeschliffener IMEI. Illegal wie eine Walther PPK vom Schwarzmarkt. „Edward ist jetzt am Arsch, keiner kann ihn mehr erreichen.“ Da flackert das Display. Be still and know that I am God. Die violetten Lettern auf seinem jettschwarzen Screen leuchteten kaum nach, aber er war sicher, die Worte gelesen zu haben. Tot. Kein Effekt, egal welche Taste oder Geste er ausprobierte. Er legte das Telefon auf dem samtigen Einband der alten King James Bibel ab, die auf dem Boden neben seinem Nachtisch lag und schloss die Augen.

review von: heinrich steinfest

Toller Text, der – wenn ich das so ausdrücken darf – cool mit cooler Sprache spielt. Und auf eine schlangenhafte Weise die Hektik der Begriffe und Wörter nutzt, um dann wundbar in einen geseufzten Schlußsatz zu münden. Samtig! Scheiß samtig! (Denn das ist wirklich so erstaunlich wie gekonnt, daß ein Satz mit zwei “Scheiß” wie “Scheiß internationaler Scheiß!” in Ihrem Text so gut funktioniert.) 

Ach ja, und der „Nachtisch“. Also, ich habe es natürlich „richtig“ gelesen, also als „Nachttisch“ und bin erst durch Ihre Anmerkung auf den „Fehler“ aufmerksam geworden. Und kann mir nun nicht mehr helfen, aber mir gefällt die Vorstellung, die alte King James Bibel könnte neben einem Dessert gelegen haben.
Gratulation zu diesem jettschwarzen Text!
Rouven Haas sagt
23.04.2021 15:53
äh... mehr Nachttisch als Nachtisch :-)
Rouven Haas sagt
26.04.2021 16:38
Vielen Dank für das positive Feedback.
seawas berndi sagt
28.04.2021 15:50
die innere stimme in der dritten person!
das ist echt scheißcool...