beitrag von: Jazzualdo
Kein Netz
Das Gestrüpp wird dichter, reicht bis zur Brust: Umdrehen wäre blöd, die Hütte MUSS in dieser Richtung … Dornen hätte ich nicht gebraucht. Scheiß Himbeeren, das schlimmste Unkraut; Brennnesseln, meterhoch. Verdammt steil wird das jetzt. So gute Bergschuhe, trotzdem kein Halt. Ich hätte nicht schon wieder einen Abkürzer … meine Abkürzer sind immer Verlängerer! Aahrgh! Fast hätte es mich erwischt. Nur Schrammen, ein bisserl Blut. Abgeschürft. Na ja, am Unterschenkel, da seh ich das Fleisch. Binde mein Halstuch drüber.
Beschissener Urwald! 50 Höhenmeter unter der Hütte. Eine Rinne weiter rechts hätte ich gehen müssen, dass ich mir das nicht merken kann. Tut weh, der Fuß. Blutet stark.
Wenn ich mich über den Felsen hochziehe, bin ich im Wald! Suche Griffe auf der Felsnase. Mein blutendes Bein schmerzt höllisch, behindert mich dabei, abzuspringen. Die Griffe halten nicht.
Ich liege in einem Ameisenhaufen. Weich gelandet, denke ich, auch wenn es „Knacks“ gemacht hat. Versuche mich aufzurichten, doch ich kann nur meinen Oberkörper bewegen, meine Arme, meinen Hals. Jetzt hilft nur mehr der Hubschrauber, denke ich verzweifelt. Ich finde mein Handy.
Kein Netz. Da waren doch noch alle Striche, dreißig Höhenmeter weiter oben! Die Ameisen sind lästig. Unerträgliche Schmerzen. Kann mich nicht bewegen. Noch einmal schaue ich auf mein Handy. Dann schreie ich wie am Spieß, rufe nach Hilfe. Aber in diese gottverlassenen Gegend des Roten Kogel verirrt sich nur ganz selten jemand.
review von: heinrich steinfest
Eindringlich und direkt. Zur ganzen Geschichte paß gut dieser „gekeuchte“ Schreibstil, das punktartig gesetzte Verhängnis, der Schmerz, die Wut, letztlich die Wut über die eigene Dummheit.
Und dann auch noch Ameisen! Eine schöne, gleichnishafte Idee.
Wenn ich eine einzige Kleinigkeit vorschlagen darf, würde ich das etwas umständliche Wort „Verlängerer“ (eben weil der Text sonst gar nicht umständlich ist), durch das gut alte „Umweg“ ersetzen. Wie gesagt, nur ein Vorschlag.