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unterwegs – down the road away

beitrag von: trivialpoet

Mit leichtem Gepäck

Früh aufgebrochen, um Kilometer zu machen. Die Nacht im Zelt klingt dumpf in den Knochen.
Der Raps drängt mit überschwerem Gelb an den Straßenrand. Leichter Wind rüttelt ihn aus der Erstarrung. Auf seinen Blüten verdampft der aufblitzende Tau. Über die pechschwarzen Hügelkuppen schießt der Strahlenkranz der Sonne, gleißend; reißt das Tal aus der Dunkelheit. 
Von den kontrahierenden Beinmuskeln aus steigt die Wärme allmählich den ganzen Körper hinauf. Der Körper, das Rad, die Gedanken gleiten in den Sog der schnurgeraden Straße, der rotierenden Füße, Beine. Die Frequenz des Tritts steigt, synchronisiert sich mit den Rhythmen des Atmens, des Pulses, der erwachenden Landschaft. Die Wärme, die satte, meditative Leere der Straße, der betäubende Raps, das Weichen der Kälte aus den rosig werdenden Fingerkuppen … Rückenwind! 

review von: peter rosei

da fahre ich gerne mit. - vor allem gelungen finde ich die kraftvolle beschleunigung im text, parallel zur beschleunigung der fahrt - wie auch die eindrücklichen bilder.

einzige kleinigkeit, eventuell: ... liegt in den knochen.
stephan flommersfeld sagt
24.10.2023 14:34
ich habe ein wenig schwierigkeiten mit den sprachlichen bildern:
das rütteln eines leichten windes – rütteln ist mit kraft verbunden
das erstarrung des rapses – der raps vollzieht bei wind eher ein wogende bewegung, da er ziemlich dicht steht
erstarrung als nächtlicher prozeß?
die über die hügelkuppen schießende sonne und dann sofort im strahlenkranz – so einen morgen habe ich noch nicht erlebt
der körper, das rad, die gedanken – wer bewegt wen?
der sog der straße — bezieht sich das nicht eher auf bandenkriminalität
rotierende füße und beine — ist da ein achse?
der rhythmus der erwachenden landschaft?
wangen können rosig werden, aber doch nicht fingerkuppen?
bin ich ein erbsenzähler?
stephan flommersfeld sagt
24.10.2023 14:36
korrektur: die erstarrung des rapses – der raps vollzieht bei wind eher eine wogende bewegung, da er ziemlich dicht steht
Carla Rodrigues Bessa sagt
24.10.2023 15:59
ich finde den text wunderbar plastisch und mag vor allem das reliefartige darin. fast habe ich das gefühl, in die bilder reinfassen zu können. und ich finde gerade die unerwarteten adjektiv-nomen verbindungen sehr spannend. ich glaube, bei so einem text hat man eine gewisse poetische freiheit und die bilder müssen nicht unbedingt der - sichtbaren - realität, sondern eher einer eigenen narrativen logik entsprechen, bei der eine erwachende landschaft durchaus einen rhythmus haben und fingerkuppen rosig sein können. dasselbe gilt z. b. für die metamorphose meiner raupen, da darf ich die zeit raffen oder dehnen, wenn es dem effekt der erzählung dient.
stephan flommersfeld sagt
24.10.2023 16:40
die erwachende landsdchaft und die kugelblitzartig erscheinende sonne? die plastizität des ganzen finde ich auch sehr gelungen! ohne frage!
Michael Köhler sagt
25.10.2023 14:40
Vielen Dank für die Rückmeldung und die Kommentare. In der Tat, über manche Sprachbilder ließe sich durchaus diskutieren. In einem Lektorat würde es sicher in die angedeutete Richtung gehen.
Im Hinblick auf Atmosphärisches und dem Drang bereits eingeführte Formulierungen (liegt in den Knochen, wogendes Feld) zu vermeiden, verzichte ich manchmal etwas auf logische „Konsistenz“ ... ;-)