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unterwegs – down the road away

beitrag von: Mario1968

Fluchtprotokoll

Jede Reise beginnt im Kopf.
Wohin, Primat?
„Von da nach dort. Schrittweise; im aufrechten Gang.“
Dann schleich dich! Los, lass dich nicht aufhalten!
Nur nicht hudeln; zuerst ins Internet schauen, mit aktuellen Passfotos aufs Konsulat, Fingerabdrücke abgeben, Sachen packen. Reisepass und Smartphone am Körper, ohne die beiden geht jetzt nichts mehr. Wohnung zusperren, Ticket runterladen, boarden. Anschnallen und ab! Einen halben Tag eingepfercht in 10 Kilometer Höhe, mit über 900 km/h um die halbe Welt.
Nach der Landung wieder durch Schleusen. Endlich im Taxi. 
Nun sitzt du dort, wo du vorher nicht warst. Once came to here, then never leave. So stehts im Service Guide des Hotels. Herrlich: Zahnpasta und ein kleines Fläschchen Duschgel, alles ungeöffnet, nur für dich. Faltenfreie Laken; saubere schneeweiße Handtücher, das erste Blatt Klopapier gefaltet. Minibar voll; ein 43 Zoll Bildschirm auf stand by. Smartphone aufladen und den Code fürs Free Wifi eingeben. 
„Abenteuer, ich komme!"

review von: peter rosei

ziemlich trostlos, das alles, bis hin zum gefalteten klopapier. zum glück ist, was welt heißt, doch ein wenig größer.
Mina Herz sagt
29.10.2023 20:49
Ich glaub der Text würde als eine Art satirische Gesellschaftskritik des ganzen Massentourismus, so lese ich ihn zumindest, stärker wirken, wenn du einfach den Teil mit dem Primat bis zu "Nur nicht hudeln..." weglassen würdest. Irgendwie ist das zu aggressiv. Ich glaub das würde dem Text, der sonst echt überzeugend lakonisch geschrieben ist, gut tun.
kristin fieseler sagt
29.10.2023 20:56
Mir gefällt die Frage "Wohin, Primat?" Am Ende würde ich auf den Satz eingehen, jede Reise beginnt im Kopf. Es läuft ein King-Kong-Film im Fernsehen vielleicht. Ist nur ein Vorschlag. :-)
stephan flommersfeld sagt
29.10.2023 21:09
welches abenteuer? der text verliert sich in der lakonischen schilderung eines für den gast präparierten hotelzimmers.
stephan flommersfeld sagt
29.10.2023 21:17
und ist das geladene smartphone die entscheidende voraussetzung für ein abenteuer? das ist quasi doch nur die rückversicherung?
Mina Herz sagt
29.10.2023 21:32
Also ich hab das so verstanden, dass das ja gerade die Ironie ist. Es ist kein Abenteuer. Sondern durchgeplante Pseudo Touristen Geschichte die sich aber nach Abenteuer anfühlen soll
stephan flommersfeld sagt
29.10.2023 22:36
die aufzählung der reisevorberereitungen entspricht doch irgendwie der ordnung im hotelzimmer. alles erscheint gefaltet und gebügelt. mit dem ausruf am ende katapultiert er sich dann in die andere dimension. irgendwie nicht überzeugend, auch wenn es ironisch gemeint sein sollte.
Mario Schober sagt
30.10.2023 15:29
Dank an alle, die kommentierten.
In allem, was ich schreibe, ist ein bisschen Satire. Die Komik kann durchaus unfreiwillig sein und hängt vom Betrachter ab. Das finde ich völlig okay. Und natürlich entbehrt die Banalität des Alltags nicht einer kleinen Portion Lächerlichkeit. Und Verreisen ist für uns etwas Alltägliches.
Der halbe Text bezieht sich auf die Mühen, an den gewünschten Ort zu kommen. In meinem Fall war es China, wo die Hürden bereits im Konsulat in Wien beginnen und dich mit einer bizarr bürokratischen Welt konfrontieren, wie sie sich Franz Kafka nicht besser hätte ausdenken können. Wo der Getränkeautomat am chinesischen Flughafen das Bargeld verweigert, andererseits aber mit einem Bildschirm zur Gesichtserkennung versehen ist, der automatisch beim elektronischen Bezahlen aktiviert wird. (Kein Gesicht, kein Getränk!!) Das ist deshalb so kurios, weil dein Gesicht am Flughafen bei den Schleusenkontrollen sowieso gescannt wird. Auch mussten wir mehrfach (!) die Fingerabdrücke abgeben. Und ohne Smartphone geht in China (wir waren an einem Tagungsort und in Shanghai) gar nichts mehr. Alle haben dort eines, und wenn einem nicht gerade die Arbeit davon abhält, wird hineingestarrt.
Wie definiert man das Wort "Abenteuer", wenn jeder etwas anderes darunter versteht? Für viele beginnt es dort, wo man der lästigen Alltagspflichten entbunden ist. Und dazu gehört einmal Wäschewaschen und Putzen. Eine der angenehmen Seiten bei Hotels ist es, dass einem das abgenommen wird. Und viele schauen in der Ferne auch fern. Zugegeben, ein unnötiger Zeitvertreib, aber nicht selten hört man beim Frühstück, was die Kollegen nicht alles am Abend oder nachts für Filme gesehen haben. Wir bleiben halt auch in der Fremde unseren Gewohnheiten treu und ändern sie nur, wenn wir es müssen.
In diesem Sinne: Ja, es ist satirisch. (Und: Fuck the Zwinkersmiley!!)