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die textförmige hängematte eines bizarren augenblicks

beitrag von: zisch

Übungstext 2 (Markt)

Ich kann hier nur über mich sprechen, und sagen: na. Ja, die Sonne scheint wie sie scheint, wenn sie scheint, scheint sie auch auf die Plätze in diesem Nest - ganz real, lebt der Markt nach seinem Gesetz und wenn er kaum atmet, wenn er nicht rennt und nicht summt, weil die Schwerkraft, die Entfernung zu groß ist, oder was man will, wird seine Stimme bestimmt, unbestimmt, unbesonnt kollateral.
ann cotten sagt
14.10.2020 22:23
hm.
ann cotten sagt
14.10.2020 22:36
ist das "frei assoziiert"? bei deiktischen wörtern (dieser, etc) bitte drauf achten ob die referenz funktioniert. hier weisz man nicht was für ein nest wo gemeint ist.
bei einander widersprechenden eigenschaftswörtern, hintereinander aufgezählt、stellt sich die frage, warum überhaupt schreiben. warum soll sich wer mit diesem blabla beschäftigen. machts denn wenigstens derm schreibenden freude? aber den eindruck macht es nicht, dazu ist es zu freudlos hingepatzt.

 bei (reproduktion der gängigen) personifizierung des markts stellt sich spätestens ganz ernsthaft die frage ob man nicht lieber lesen und nachdenken sollte als texte dieser art zu schreiben, wo irgendein aufgeschnappter unsinn aufgestellt und dann darüber rumargumentiert wird. keinen interessierts, wenns nict einmal dien schreibendne interessiert.
Thomas Haker sagt
15.10.2020 13:35
Es ging mir in dem Text um die in Ihrer Ausschreibung geforderte Selbstreflexion, um einige Aspekte des Marktgeschehens beim Schreiben selbst. All das Gefeilsche um die richtigen Worte, Bilder, Vorsilben, Rhythmik, die man mit sich so aushandelt kann auch mal scheitern, und warum? Scheint missglückt zu sein. gut. Aber diesen Hagel von Unterstellungen: Freudlosigkeit, hingepatzt, nicht gelesen und nachgedacht, aufgeschnappt, nicht interessiert...kann ich nicht annehmen, und find ich auch nicht sehr hilfreich und motivierend falls das ein Anspruch hier sein sollte. Ich hab einen Nachmittag konzentriert gearbeitet an dem Text, und sehr genau abgewogen, ob eine Stimme bestimmt und unbestimmt gleichzeitig sein kann, vielleicht nicht den richtigen Schluss gezogen, mag sein. / Was scheinbar auch gar nicht aus meinem Text gelangt, ist die eigentlich gewollte, bescheidene Liebeserklärung an die Sprache dabei, oder zumindest an einzelne Worte, ihre Vergegenwärtigung, die Richtungsänderungen durch Vorsilben: Sonne-unbesonnen, Stimme-bestimmt oder die klanglich Verwandtschaft von Plätze, Nest und Gesetz, von kollateral und real und deren Einbeziehung ins Ganze. Vielleicht Selbstverständlichkeiten - aber mich interessiert's und es hat Freude gemacht damit zu spielen. Schade, an allem anderen kann ich arbeiten, dazu bin ich ja hier, aber wenn nicht wenigstens etwas von dieser Freude durchscheint, kann man nichts machen. Die meisten Ihrer Reviews find ich wirklich brillant, werd' ich sicher auch sehr gerne weiterlesen und sowieso bin ich dankbar, dass Sie sich überhaupt die Zeit hier nehmen.
ann cotten sagt
15.10.2020 21:17
Ich bewerte nicht die Arbeit, die drin steckt, sondern nur die Wörter auf dem Papier, und es ist auch Arbeit, zu erläutern, warum mir das - wie viele meiner eigenen Texte - unzulänglich erscheint, als Text überhaupt, als literarischer, usw. Konkret gehe ich jetzt auf die genauen Arten der Arbeit ein, die Sie beschreiben. Das ist sehr interessant. - - was Sie zu beginn des Kommentars erläutern, sehe ich nicht im Text. - - (und es ist hier durchaus nicht der Zweck, hilfreich und motivierend zu sein, dazu können Sie eine andere Art von Schreibseminar besuchen, wenn Sie das wollen) - - Erzählen Sie doch mal NOCH GENAUER, was Sie genau taten, als Sie abwogen, b eine Stimme bestimmt und unbestimmt gleichzeitig sein kann. Womöglich haben Sie über diese Frage mehr nachgedacht als ich, weil mich so eine Frage in dieser Allgemeinheit a priori unbeantwortbar, bedeutungslos, unsinnig ist. Denn was heißen überhaupt die Wörter bestimmt oder unbestimmt? Das ist je nach Kontext sehr verschieden. Und auf so eine in dieser Allgemeinheit unfassbare Frage kann es natürlich auch keine richtige und falsche Antwort geben. - - Wenn literarische Texte dazu dienen sollen, Urteilen zu entschlüpfen, dann hat jedes Gefasel, aber auch jeder zufallsgenerierte Buchstabenhaufen 100 Punkte.

Wir müssen leider auch damit leben, dass unsere literarischen Geschmäcker sicher sehr verschieden sind. Ich kann generell mit Tanz, mit Imrovisation, mit ungerichteter Kreativität nichts anfangen, langweile mich, habe sozusagen einen proletarischen Anspruch an Text, dass sie meine Zeit nicht verschwendet, das sie entweder informativ oder witzig ist, am besten beides. Und schön natürlich, aber schönheit gibt es für mich nicht kontext- und zweckfrei, bin keine Freundin von Nippes oder Deko, schön sind für mich Sachen und Menschen in effektiver Aktion. Insofern würde ich mich, wollte ich z.B. für die klangliche Verwandschaft (komische Metapher, viell besser klangliche Ähnlichkeit oder Gemeinsamkeit) mich auf die Suche nach einer Anwendung begeben, die mir Freude bereitet, irgendwie nach Witzen suchen, die dem lautlichen Spiel ein gedankliches Spiel gegenüberstellen, wo wie in einem kubistischen Bild einige Manöver oder Eigenschaften in etwas verschobener Anordnung vorkommen, sagen wir Wort A und B sind auf Weise y ähnlich, B und C auf Weise x, dann könnte ich auf der Gedankenebene M und N, auf weise x ähnlich, und N und O, auf Weise y ähnlich, gegenüberstellen, wenn y z.B. gegenteilig und x metonym wäre... Vielleicht können Sie, wenn Sie so viel und so bewusst gearbeitet haben, über die genauen Überlegungen und Resultate etwas genauer Auskunft geben?

Außerdem haben Sie auch noch nicht die Personifikation des Marktes verteidigt, die Sie von gängigen Klischees übernommen haben, und wenn man sowas übernimmt, dann muss man doch gute Gründe haben, oder?
Thomas Haker sagt
16.10.2020 16:16
“erzählen sie doch mal noch genauer”: ich versuchs, wie man sich mehr oder weniger an einen Traum erinnert: ich wog ab: wird ein „na ja“ hier durch einen Punkt dazwischen besser und was macht der damit? Entsteht so etwas wie ein Trommeln bei 3x “scheint” und entwickelt sich daraus eine Textmelodie? Wo gibt es Ansatzpunkte, um Worte, Bilder miteinander zu verbinden? Sollte am Ende “Schaden” vorkommen oder kann “kollateral” auch alleine stehen, falls letzteres was wird das dann? Unbesonnt oder unbesonnen (ich fand 3x “t” am Ende der Verben passender, um zu den 3x “scheint” Kontakt aufzunehmen)?...

“Personifikation” Wenn ich den Markt mit einem Brummen charakterisiere, um etwas über den Markt zu sagen, ist das Personifikation, ja . Aber ist das im umgekehrten Weg auch der Fall? Also dass eine Wechselbeziehung stattfindet, die im Text nicht ganz gelungen ist, ist klar - aber dennoch sehe ich einen kleinen Unterschied, durch den Ausgangspunkt bzw. die Fragestellung.

des “gängigen”: Ein erstes Klischee: der Markt lebt nach seinem Gesetz. Ein zweites Klischee?: Der Markt “summt”, soll dann einladen, mit seinem Reim auf das nicht vorhandene “brummt” diesen schläfrigen Gebrauch vom „brummenden Markt“ mit Leben zu füllen, also im Idealfall selbst mal zu summen oder brummen, um den Unterschied zu finden und sich zu fragen, was für einen wirklich passt. Vergegenwärtigung sollte letztendlich einen Ausweg aus einer klischeehaften Situation anbieten.

“unbestimmt, bestimmt”: mir geht es an der Stelle gar nicht um eine philosophische Antwort darauf. Sondern auch eher um die Vergegenwärtigung dieser Worte, und sei es durch ein Paradox. Die Wandlung vom Subjekt “Stimme” zum abhängigen Verb durch die Vorsilbe und die Unbestimmtheit, die sich durch Abhängigkeiten ergeben kann, hat mich in dem Moment fasziniert. Ebenso, dass “unbestimmt” ja oft nicht als Gegenteil von “stimmt” gebraucht wird, obwohl das die Vorsilbe eigentlich nahelegt. Wir sagen ja eher „stimmt nicht“, als „unbestimmt“, wenn wir das Gegenteil von „stimmt“ meinen. Was geschieht dann in dem verbleibenden Platz zwischen den beiden nicht-ganz-Gegensätzen, wenn diese sich nicht ganz zunichte machen? Aber vielleicht red ich mich hier nur raus, es ist eine Rekonstruktion, die Kritik nehm ich jedenfalls gern an.

“keine richtige und falsche antwort” Für mich sind das die schönsten. Natürlich dürfen sie nicht beliebig sein. Aber das ist gerade die Herausforderung find ich: nicht ja, nicht nein, und wahr. Oft an einer Grenze. Ich denke gerade an Mona Lisa: was man darüber auch urteilt ist morgen oder nächste Woche schon wieder falsch. Das wäre mein (natürlich unerfüllbarer) Anspruch an Kunst.

“nicht kontext- und zweckfrei” Die Frage hat mich schon viel beschäftigt. Ich kann nicht sehen, dass man einen Zweck braucht, damit Mona Lisa einem etwas sagt. Oder Monteverdi. Oder Gertrude Stein. Ich hab für die Freien Künste, auch für Lyrik (für mich) immer komplett abgelehnt, dass sie sich einem anderen Zweck unterwerfen - außer dem der Wahrheitsfindung, hier wäre religiöse Kunst dabei. Deshalb heißen sie ja frei. Wo zieht man denn sonst auch eine Grenze zwischen einem schönen Dachzimmer und einer Installation von Turrell? Oder dem Pissoir von Duchamp und einem in der Kunsthaus-Toilette? Inzwischen denke ich ein Zweck kann hilfreich sein: wie für Beuys, für Brecht… , wenn man so einen Stern hat kann das anfeuern, aber für die Schönheit oder zum Verständnis ist es mir nach wie vor wenig wichtig.

“wenn sie so viel und so bewusst gearbeitet haben” Nein, ich hab nicht so bewusst gearbeitet. Das kommt im Nachhinein. Was ich aus der Kunst für mich mitgenommen habe, ist, dass es gefährlich sein kann, zu sehr in die intellektuelle Reflexion abzudriften. Eigentlich hat Kunst, hat das künstlerische Empfinden das nicht nötig. Wissenschaft und Kunst schlecken ja aus ganz verschiedenen Töpfen. Man kann das mischen, ja. Aber es kann auch so sein, dass sich kein Flow ergibt, weil ständig eine Stimme von hinten beiseite räumen und klären will. So ist das bei mir: nur jeweils kurzes Auftauchen, Sammeln und die Entscheidungen unter Wasser. Märchen sind mir auch näher als Philosophie, obwohl ich beides gern lese. Sie sind konstanter. Natürlicher gewachsen und wahrer. Aber für die eigene Arbeit muss das ja nicht alles so bleiben. Ich werd es mal versuchen mit den gedanklichen Spielen, wie konkrete Kunst. Danke nochmals für Ihre Zeit.