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die textförmige hängematte eines bizarren augenblicks

beitrag von: zisch

Oktobernotariat

Ist das Lager gewaschen? Ist der Notar gewaschen, wirken all die Protokolle dinglich und bis ins Register untertage? So gestreckt? Wer will das kosten.

Die Erschienen wirken verbindlich. Verbindet oder bindet sie die Gesellschaft? Oder sind sie durch ihre Stimmen und Werte verbunden? Es gibt einen Anteil Oktober in den Tagen, es gibt Verbindungen zwischen Lagern, Räumen, ausgelagerten Lagerbeständen, es gibt Anteile, auf die sie verzichten und Werte, die ihre Stimmen strecken.

Wird er, der Verkäufer, den Zins annehmen? Und den Preis fürs Protokoll? Hier ein Verweis auf die Bundesbank: Ihr Vertreter sprach von Lichtungen. Sprach von Schuld, wie sie Namen wusch und Punkte aushandelte - das alles lichteten Treuhänder ab. 

Jetzt erklärt die Gesellschaft ihren Anspruch darauf. Eine unfassbare Forderung: Was soll aus den Anteilen der Bundesbank werden? Wenn das dinglich wird? Wirkte das nicht in die Versammlung hinein und über sie hinaus? 

Sicher, die Einträge können gelöscht werden. Aber es wird auf die Gesellschaft einwirken. Welche Kosten erwartet sie da? Welche Ansprüche hat sie? Soll sie all diese klaren Stimmen als Lasten aufnehmen und untertage schieben? 

Wenn der Erwerber will. Er will es licht. Der Notar trägt das Register, drückt die Wäsche aus. Er ist der Pfand.

review von: ann cotten

die anekdote gefällt mir. lesen sie doch ein paar expressionistische kurzprosatexte und schreiben sie dann auch so einen. es wäre interessant, meine ich, diese prismatische studie eines plötzlichen einbruchs in die welt eines notars zu vertiefen. sie könnten, oder es könnte der eindruck entstehen, dass sie mehrmals, jeden tag am ende, zu diesem notar gehen, under diesem und jenem vorwand, und ihn sozusagen beobachten und ausforschen. das literarische interesse könnte in ihre anekdote einbrechen. wie ein investigativer bartleby. sie könnten die unterschrift von tag zu tag verschieben. oder sie wiederholen diesen besuch, wie man im traum das versäumen eines zuges bis zu 66 mal träumen kann, bevor man aufsteht und endlich rechtzeitig zum zug kommt. also eine größere anzahl notar-studien könnten ein sehr interessantes projekt werden, kommt mir vor. 

die antworten auf die fragen wie, wo und wer kann ich nicht anders als ausweichend begreifen. das ist nicht der sinn der sache. 

es gibt leute, für die ist poetisch ein schimpfwort. es heißt: vorsätzlich vage, unpräzise, unkonkret, ziel: schwafeln, leute ungebührlich beeindrucken, ihr leben auf heißer luft aufbauen. bei diesen abstrakt raunenden antworten auf konkreten fragen geben sie deren vorurteile über poetisches sprechen recht. 

Ich habe noch mehr fragen. was wollen sie, was machen sie mit den wortspielen? ich sags gleich heraus, sie schmecken mir auch nach ausweicherei, nach "sachen machen weil es dem buchstaben nach gelesen nicht verboten wird". diese haltung zur sprache ist die einers 10-jährigen. irgendwann muss man sich fragen, was man mit wortspielen will. 
ähnlich mit fragen, die ins leere gehen und sich anhäufen. nicht einmal rhetorische fragen, die bräuchten nämlich irgendeine pointe. das ist nur sprechen um der lärmerzeugung willen. das ist natürlich eine methode zur textproduktion. aber sie zeigen ja jetzt den text. warum sind sie mit ihm zufrieden oder nicht, ist hier als workshop ja die frage. 

daher eben die ernst gemeinten fragen. 
ich lese ihre antworten zum 3. oder 4. mal und konkretisiere meine nachfrage. sie wollen aus der mitte in ränder greifend sein. aus der mitte von was? greifend mit was? warum greifend? ist das ein grabbing type greifend, ein verzweifeltes oder ein zugreifendes oder ein zulangendes oder ein zupackendes greifen? ränder von was? der stadt? der gesellschaft? ihres tellers? warum wollen sie das? warum gehen sie davon aus, dass sie in der mitte sind? 
wer: sie wollen in anteilen gespiegelt sein. geschenkt, ich weiß ja nicht wie sie sind - kann also davon ausgehen, dass sie so sind, wie diese anteile spiegeln. nun können sie überlegen ob das ist, was sie wollen.  
gestaltend darüber, ja, leider hat es diese hand-von-oben-atmosphäre, aber im letzten punkt haben sie perfekt getroffen, natürlich sind sie als ihr erster leser dann gegenüber und das ist ja auch ein generischer hauptzweck des texteschreibens, sich selbst gegenüber zu sein, eine zweifelhafte, aber immer lehrreiche dirty pleasure.
Thomas Haker sagt
26.10.2020 09:29
was wollen sie machen? Ich weiß nicht, wie ich anders das darstellen sollte als anekdotenähnlich. Wenn es den Text entkleidet - schade, aber das wär dann eben sein Anteil am Schulgeld:

Letzten Freitag war ich beim Notar um einen Vertrag zu unterschreiben. Ich dachte, ich fahr da mal hin, unterschreibe und gut. Daraus wurde dann aber eine einstündige Lesung und die war Hammer: Ich: sehr müde von der Fahrt. Das Ambiente: riesiges Büro, Gründerzeithaus, etwas schummrig, Cognac-, Wiskeyflaschen, Kristall, Bilder von Lüpertz, Penck, Baselitz bis zur Decke. Der Notar: mit sonorer Stimme, ungefähr wie Leonard Cohen in “You want it darker”, und mit dezentem Berliner Akzent, verlas dort also diesen ausgiebigen, juristischen Text. Das ergab eine Mischung, die mich außerhalb der Zeit setzte: die Challenge für den Text hier.

wie wollen sie es machen?
in Regeln: Alleinige Verwendung der Wortstämme von Verben und Substantiven aus dem Vertragstext. So wenig wie möglich Adjektive und Pronomen. Änderung von Vorsilben, Substantivierung erlaubt, ebenso Hilfsverben. Warum so? Der Text ist damit gebunden an die Vorlage, aber doch genügend frei um ihn formen zu können. Unbegreiflich aber nicht beliebig, verführend sollte er sein.

wie, wer und wo wollen sie dabei sein?
wie: aus der Mitte an Ränder greifend
wer: in Anteilen gespiegelt
wo: mittendrin und gestaltend darüber, am Ende gegenüber.