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die textförmige hängematte eines bizarren augenblicks

beitrag von: gabilang

In den Hängematten

Geliehener Schnee, geborgte Hände
unter deinem Laub lebt es voran.

Über den Steg balancieren wir lachend und
ohne Gewähr und plaudern 
über Gewobenes. 
Duftige Maschen, Falten und Schlingen 
lokal verdichtet 
oftmals lose.

Hingerissen hineingegeben
willst du dem Wildfang trauen
und so sehr fliegen

und hoffen:
es wird heute durchgehen.

Morgens vertraut im Bäumeschatten 
sanft und turmhoch funkeln.
Am Abend wirst du räudig und
rauer schwingen
schwarz und braun und
der Boden unter dir
zieht
vor, zurück
vor und zurück.

Ein morscher Ast knirscht unter 
deinem Schritt und biegt sich bevor 
er mürb absinkt.

Es lebt sich voran.



 
Die Intention: 
Hängematte als Metapher. Die Widersprüche zwischen Vertrauen fassen können und keinen Boden haben. Durchfallen durch die Maschen. Und die Ungewissheit, ob das Gewebe hält, trotz allem schwingen, fliegen wollen und es auch tun und hoffen….usw. 
Und von diesem Vorhaben dann auch  wieder ein bisschen "lassen" können, mich davon befreien, befreit sein von einem Konzept, aber es doch im Hintergrund wirken lassen, hin und wieder drauf hinschielen, abgleichen, schauen ob die Farbe noch passt. Und die Geschmeidigkeit des Materials.
 
Schauen wir ob es glückt ; ) 


review von: ann cotten

Starker Anfang, celanig, ich seh vor mir ein Derby Pferd drei steile hindernisse muskulös überspringen...

wer ist du? Werden wir sehen. 

Mit „ohne Gewähr“ kommt plötzlich ein Brocken Juristensprache herein, das vom Gewobenen auch nicht kaschiert wird. Das Gewobene ist gleichsam zu klein und fadenscheinig. 

Ist es beabsichtigt (nach dem geliehenen Schnee bin ich auf alles gefasst) dass nach dem Gewobenen dann über Strickmaterial gesprochen wird (duftige Maschen)? Ist das, weil Handarbeiten generell eine Kategorie ist, oder soll da so ein Mix entstehen? 

„oft“ - bei ihnen gar „oftmals“ - ist ein gefährliches wort in gedichten, weil es plötzlich eine statistik in den raum stellt, und dafür haben wir im fall von gedichten oft noch lange nicht genug kontext. Es wirkt also dann plump, unpassend. 

Hingerissen hineingegeben – hagebutten in den tupperware? 
Wenn es eine Variation auf hingegeben sein soll, - bitte, versuchen sie doch mal, direkt „hingegeben“ zu schreiben. Es ist stärker, so stark, dass es fast peinlich ist, da gibt sich dann wer eine blöße, und es wird interessant, skin in the game

Wildfang ist ein bissi ein sehr 12-jährigen-pferderomaniges wort... und wie ich schon mal bei einem anderen gedicht monieren musste: wenn man eine neue sache oder figur mit einem bestimmten artikel einführt, dann heißt das, es wird vorausgesetzt, dass wir alle schon wissen, wer oder was das ist und dass der da ist. Ist es der uns allen bekannte wildfang von nebenan, oder der aus dem sprichwort? Eigentlich nicht, oder? 
Oder sind wild gefangene fische gemeint, die vielleicht verseucht sein könnten? Dann habe ich das falsch gedeutet, pardon.
so sehr fliegen – getrennt vom „willst du“ klappt das „so sehr“ nicht richtig, wird zu einer Eigenschaft des Fliegens, wirkt nicht richtig beabsichtigt. Überhaupt ist der wunsch zu fliegen so ein allgemeinplatz, dass es in kombination mit dem wort wildfang echt zu einem pferdeposter-stil wird in dem abschnitt. 

Hoffen: es wird heute durchgehen

das Gedicht? Als Gedicht? Das pferd, - also doch keine bachforelle? 

Bis zum Ende des Gedichts wird nicht klar, ob „du“ ein Gegenüber ist, oder dier Sprechendre selbst. 


„er mürb absinkt“ ist eine GROSSARTIGE zeile. Das meine ich ernst. Und ein guter Untergrund für die letzte Schlusszeile. Das hat tatsächlich den Rhythmus von Schritt-Reiten, soweit ich mich daran erinnern kann. 

Das ganze Gedicht wabert moorig, das ist getroffen, funktioniert physikalisch. Gutes, geschmeidiges Material, maschenweite passt auch. 
Vielleicht schauen Sie doch lieber ein bisschen genauer, gern auch auf ihr konzept. Jedenfalls aber auf die sprache. Diese ausrutscher stören doch sehr das vertrauen, und wenn die hängematte in diesem fall ein über ein moor gelegter holzsteg ist, dann sind das fehlerchen, die dazu führen, dass der steg unvertrauenswürdig ist, wegrollt, wenn man draufsteigt, etc. und nicht alles, was unentschieden, zweideutig hin und her wabernd ist, ist gleich yay. - bei sowas genügt auch oft ganz wenig. 

Ich versteh auch wenn wörter einen nicht stören, die andere leute stören. Bei meinem allerersten Schreibwettbewerb riss ich nichts wegen so Wörtern wie „Gatschrille“. Ich fand das ein tolles Wort. Jetzt verstehe ich, dass es den Lesenden unfreiwillig komisch vorkam. Also es ist da eine gewisse Spanne und im Zweifel würde ich empfehlen – nein, kann ich nicht allgemein sagen. Versuchen, die Sicht der anderen nachzuvollziehen, weil immerhin sind sprachliche Gegenstände per definitionem aus Material, das für alle funktionieren können soll und von allen geformt ist. Aber wenn man sich das überlegt hat und sich aber immer noch nicht von den eigenen sprachlichen Obsessionen lösen kann, dann muss das eben so sein.