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rapid eye movement: fingierte träume

beitrag von: MrStrikehardt

Das Träumen hörte nicht und begehrte auf.

M. war ein disziplinierter Mensch, der eines Tages entschied, das Träumen abzustellen. Es verursachte entweder unnötig Aufregung oder Unverständnis am Morgen, sodass er manchmal zwanzig Minuten brauchte, um aufzustehen. 

Das Träumen blieb. Es verpflanzte seinen Kopf auf einen Kaktus, schickte ihn in den Wilden Westen nach Arizona oder ließ ihn hemmungslos begehren. Freunde wie Gegenstände gleichermaßen. In der Konsequenz verschenkte er seine Zimmerpflanzen, reduzierte den Umgang zu seinen Mitmenschen und kündigte Netflix. 

Das Träumen hörte nicht und begehrte auf und so schlief er bald auf dem Boden und wurde Einsiedler.  

review von: dorothee elmiger

der traum als unproduktive störung im leben des disziplinierten menschens: die ordentliche dreiteiligkeit der erzählung über den umgang mit dieser lästigkeit gefällt mir in diesem zusammenhang ganz gut. bin hin- und hergerissen, ob am ende des zweiten absatzes der logik halber die mitmenschen und netflix getauscht werden müssten. 
betrachtet man dann den text als ganzes scheint sein absichtliches oder unbewusstes zentrum der einschub "freunde wie gegenstände gleichermaßen" zu sein. und da bleibe ich beim lesen auch ganz interessiert hängen: da steckt noch was drin. (das undisziplinierte?)
Markus Streichardt sagt
07.11.2020 07:49
Liebe Dorothee (ich bin so frei und duze), herzlichen Dank für die Review. Deinen Vorschlag zum Tausch von Mitmenschen und Netflix kann ich gut nachvollziehen, tatsächlich war die Ursprungsvariante so. Ich änderte sie, weil ich mit der Reihenfolge eine gewisse Chronologie verbinde. Viele Leute (ich schließe mich hier nicht aus) reduzieren eher menschliche Kontakte als ihren Netflix-Konsum (Corona bedingte Schutzmaßnahmen außer Betracht gelassen). Doch du hast Recht, die Logik stimmt dann nicht mehr mit der Aufzählung im Satz vorher überein.

Und bezüglich des Zentrums bin ich bei dir und auf der Seite des Undiszipliniertem.