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der diskrete charme der funklöcher

beitrag von: Costahlova

(Funk)löcher in die Luft starren

Ob löchrige Beziehungen oder löchrige Socken – mit den Jahren hattest du genug, um nicht zu sagen, die Nasenlöcher voll davon. 
Was tun, wenn durch Gedankenspiele, beim Löcher in die Luft starren, statt auf die Fahrbahn, dein Lebensquell zerspringt, das Handy splitternackt am Boden flucht, und nach Leben lechzt, da es Sekunden zuvor auf Hosentaschenart (die Löcher barg) die Straßenseite frequentierte und Autos jetzt geradewegs und ungeniert hinüberwalzen.
Du hörst ein Knacken und ein Zischen, dazwischen hälst du dir die Ohren zu, als wolltest du das Schlimmste noch verhindern, doch Vorsicht kommt zu spät.
Andächtig kniest du dort am Splitterboden, als wolltest du den Himmel um Vergebung bitten. Ob Schuld oder Schulden, dein Gedanken-Herbarium ist löchrig geworden, das Navi weist stets falsche Himmelsrichtungen an! Und du bist ohne! 
Doch früher spaziertest du mit Kompass in die Welt hinaus, es ging auch ohne Handy, hätte Mutter jetzt gesagt. Da halt ich mich an Aleksander Tisma und erinnere mich ewig, an den Computer mit den Lochbandstreifen, namens Robotron, den Vater irgendwann nach Hause schleppte, und 
später dann der Kardiologe Löcher in Herz und Lunge fand, übergroß, bloß, niemand wusste damals was von schwarzen Löchern dort am Himmelszelt. 
Zuerst verschwanden seine Herpes - Bläschen, später dann löste sich sogar Vater in Luft auf. Nur die löchrigen Socken und Löcher in den Hosentaschen blieben, nach dieser Wendezeit. Und Einschusslöcher an der Hauswand. 


review von: heinrich steinfest

Sehr gelungen, wie hier, nur unter anderem, das Bild des Lochs ohne repetitive Mühseligkeit – und ohne den Text zu durchlöchern – stets aufs Neue aufgegriffen und verwandelt wird.
Mein Lieblingssatz gilt dem splitternackten Handy, das fluchend auf dem Boden liegt und nach dem Leben lechzt.
Und ja, an Lochstreifen erinnere ich mich auch noch (Besuch der Handelsakademie) und an dieses Raumschiffgefühl, das mir der Anblick dieser perforierten Bänder vermittelte, obgleich – Sie haben recht – die schwarzen Löcher und ihre unheimliche Kraft noch nicht in aller Mund waren.
Letzter Absatz – wunderbar: traurig, schlüssig, ein finaler Punkt wie ein schwarzes Loch.
 
Und nun wieder aus dem Fachgebiet lektorischer Erbsenzählerei: Auch wenn natürlich beides geht, ich würde das s vom Tišma mit einem Hatschek schreiben. – Oder gibt es ein gutes Argument dagegen?
Cornelia Stahl sagt
16.04.2021 10:50
Vielen Dank für das wunderbare Feedback!
Ja, durch einen Flüchtigkeitsfehler wurde der Name unkorrekt geschrieben: Tišma lautet der korrekt geschriebene Familienname..

Danke für Ihren Hinweis!