6. dezember
6. tür von teresa präauer
Ein Tiegel Melkfett ...
... sieht unattraktiver aus als dieses feine antike Metalldöschen unten, bemalt mit Lack. Jedenfalls, wenn man das Melkfett in den Achtziger oder Neunziger Jahren eingekauft hat im orangefarbenen Plastikgebinde mit braunem Schraubverschluss, in das nach dem Öffnen eine vierköpfige Familie ihre ungewaschenen Finger gesteckt hat Tag für Tag. Wozu eigentlich? Um die Euter der Kühe einzucremen?
Das Melkfett diente der Landbevölkerung auch als Kälteschutz an besonders eisigen Tagen rund um Weihnachten und Neujahr, und bis in den Jänner, Februar und März hinein. Ach, was sage ich! In den Bergen dauerte der Winter doch acht Monate lang. Gefühlte acht Monate, gefühlt in den Fingern, an den Füßen, auf den Wangen und der Nasenspitze.
Eine Erinnerung ans Schifahren mit meinem Vater: Ich hatte vergessen, mein Gesicht mit Melkfett einzuschmieren. Nach Stunden am Berg, die Hänge hinauf und hinunter zwischen Wagrain und Flachau und wieder zurück, war ein Quadratzentimeterchen meiner rechten Wange (über den Lippen, neben der Nase, unter den Augen): eingefroren, wirklich eingefroren. Ich spürte an dieser Stelle nichts mehr, es war einfach stumpf. Wir mussten in eine Schihütte einkehren, um meine Backe langsam wieder aufzutauen.
Eine Hierarchie der Grauslichkeit lässt sich rückblickend dokumentieren: Platz eins, die Schihütte. Platz zwei, der Germknödel und das Schiwasser. Platz drei, die Hüttengaudi. Platz vier, das Melkfett (die heutige Internet-Recherche rund um das Thema Melkfett). Platz fünf, das aufgetaute Stück Mädchenwange.
Bild: Teresa Präauer: Melkfetttiegel zum Ausdrucken (in Größe A6). Gedruckten Melkfetttiegel auf einen Karton kleben, ausschneiden, lochen und Band durchfädeln – fertig ist der Adventanhänger des Frierens und Fröstelns für das Tannenzweigerl der klammen Taubheit.
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