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herbstakademie "uncreative writing à gogo"

klassen mit fabian navarro, peter waldeck und fritz ostermayer
oktober 2023

herbstakademie "uncreative writing à gogo"

sfd-herbstakademie 2023

 

"uncreative writing à gogo"

 

die diesjährige herbstakademie findet im zeitraum 5. bis 20. oktober 2023 statt – zusätzlich zum regulären programm der schule für dichtung.

brion gysin, dichterfreund von william burroughs behauptete 1959: "das schreiben hinkt der malerei 50 jahre hinterher". 2011 meinte kenneth goldsmith, konzeptdichter aus new york, "brion gysin könnte noch immer recht haben". goldsmith behauptet auch: "man braucht meine bücher nicht zu lesen, es genügt, die idee dahinter zu verstehen, das konzept". 2003 schrieb der unermüdliche den gesamten text einer wochenendausgabe der new york times ab und veröffentlichte die 800seitige wurst als buch. er selbst nennt es das "langweiligste buch der welt". aber es sei "unboring boring" – was ein schönes paradoxon ergibt. so wie auch der buchtitel jenes werkes, das kenneth goldsmith berühmt gemacht hat: uncreative writing.
passend zu diesem terminus einer post-genialischen schreibe, der die alte autorenschaft als obsolet betrachtet, hat die amerikanische literaturwissenschaftlerin marjorie perloff 2012 ein buch verfasst, in dem sie die neuen konzeptuellen schreibweisen der us-gegenwart zu bündeln versuchte. wieder muss ein vermeintliches paradoxon als titel herhalten: “unoriginal genius”. das buch ist bislang nicht ins deutsche übersetzt. was nicht verwundert, geht es darin doch vorwiegend um autoren und autorinnen, die im herkömmlichen sinn nicht "gelesen" werden wollen, um schreibende, die das schreiben als zeugnis eines individuums ablehnen und sich stattdessen mit konzepten von copy&paste, plagiarismus, appropriation und sonstigen methoden der entwendung und aneignung von texten beschäftigen. man kennt die namen dieser autorInnen hierzulande eher in concept-art-kreisen: craig dworskin, vanessa place, christian bök, derek beaulieu oder robert fitterman. diese avantgarde nach allen avantgarden eint – so marjorie perloff – die überzeugung, dass textproduktion in der digitalen welt nicht mehr verfasst werden könne wie in prädigitalen zeiten, dass autorInnen heute eher informationsverarbeiterInnen sein müssten statt imaginationsserzeugerInnen und dass es nur so zu einer neuen sichtung von bedeutendem und unbedeutendem kommen könne: durch informations-management. was auch kenneth goldsmith sofort unterschreiben würde.

die sfd-herbstakademie 2023 widmet sich nun dem lustvollen herumstreunen auf diesen spielwiesen einer allerallerletzten avantgarde. möglicherweise lässt sich dabei ein klischee-potential im eigenen "creative writing" erkennen. wäre "uncreative writing" dann ein komplize konventionellen schreibens. oder gar ein doppelagent?

ps: 2013 ging kenneth goldsmith daran, das internet auszudrucken, das gesamte internet. webseite für webseite, blatt für blatt. der technologie-blog techhive berechnete damals, dass 4,73 milliarden blatt papier nötig wären, um das gesamte internet auszudrucken – ein stapel daraus wäre 492 kilometer hoch. der fleißige goldsmith bekam immerhin eine 500 m² große galerie voll. unverzagt freute er sich nach zwei monaten drucken in permanenz: "wir sind weit gekommen, ich glaube, wir haben das meiste".

pps: bei unseren klassen und übungen achten wir sehr auf die ausgewogenheit der geschlechter. Meist steht es fifty-fifty, manchmal kippt es in einen leichten männer-, dann wieder frauenüberhang. was aber noch nie da war: ausschließlich männlich zu lesende individuen gestalten diese herbstakademie – „aus gründen“. wir versprechen: das wird nicht mehr vorkommen. sorry. 

 

fabian navarro: "ganzen tag internet – die kunst des unkreativen schreibens"
eine konzeptuelle klasse der re-verwurstung von prä-gekautem

in dieser klasse stellt der autor diverse konzepte des unkreativen schreibens vor. wenn text zu jeder zeit überall verfügbar ist, warum soll man ausgerechnet neuen schaffen statt das vorhandene zu verwenden. es geht um ready mades in der literatur, das abschreiben, rekontextualisieren und rearrangieren von text.
grundlagen sind u.a. die bücher uncreative writing und wasting time on the internet von kenneth goldsmith.
(analoge klasse mit anmeldung, 12 unterrichtseinheiten)
13., 16., 17. und 18. oktober, präsentation am 20. oktober 2023
(bewerbungsfrist geförderte plätze: 24.9.!)
info & anmeldung >> http://sfd.at/navarro (anmeldungen sind noch möglich)

 

peter waldeck: "der wilhelmsschrei aus deinem mund – wenn autofiktion & horror zusammentreffen!“
eine experimentelle online-übung über die gelungene fusion von alltagsbeschreibungen mit horrorsituationen
uncreative writing als überhöhung des abgegriffenen. niemand betritt gern gemeinplätze, dennoch wimmelt es in der literarischen schreibe nur so von phrasen und floskeln. von  klischees der innerlichkeit ebenso wie stereotypen der entäußerung. dem "uncreative writer" aber sind all diese abgedroschenen hohlheiten willkommenes ausgangsmaterial des alten alchemistentraums, aus scheiße gold zu machen.
in peter waldecks online-übung geht es um das verfassen merkwürdiger texte, die autofiktion mit klassischen horrorszenarien vermischen. introspektion trifft splatterorgie: lade deine alltagsbeobachtungen mit einer explosion von b-movie-klischees auf. in einer maximalen länge von 1000 zeichen.
bonuspunkte gibt’s für: borkenkäfer-perspektive, traurige grundstimmung, hochliterarische sprache für niedrigsten splatter!
5. bis 19. oktober, präsentation am 20. oktober 2023
(offene onlineklasse, kostenfreie teilnahme, einstieg jederzeit möglich)
info & teilnahme >> http://sfd.at/waldeck

 

fritz ostermayer: "alles zusammenstauchen, was geht – exkurse in die ökonomie der diminuierung"
eine groteske online-übung zum thema "eindampfen großer romane zu popsong-texten, raps und mundart-poesie"
man könnte es "faules dichten in wenigen zeilen" nennen, aber das trifft es nicht. kleine formen können genauso fordernd und verzehrend sein wie ein ausladendes epos. beschränkung und reduzierung mag schon eher passen, doch eigentlich geht es um ein ding der unmöglichkeit, das aber einen großen reiz besitzt. denken wir nur an das eindampf-genie nicolas mahler, der in seinen bildgeschichten thomas bernhard, franz kafka, james joyce und sogar den urknall auf eine essenz zusammenstaucht, deren grandiose lächerlichkeit nur von einer bezwingenden grandiosität getoppt wird.
mit mahler im hinterkopf ans werk: statt zusammenschrumpfen via comics geht es hier um die verdichtung und konzentration großer textmassen in populäre formen von poesie, eben: lyrics, raps und dialektgedichte. am besten, man nimmt sich einen lieblingsroman vor und komprimiert diesen auf teufel komm raus. leicht möglich, dass durch den schrumpfungsprozess komik abfällt, könnte aber auch sein, dass eine todtraurige und zu herzen gehende ballade entsteht, wenn man sich an cormac mccarthys "the road" versucht (vergeht?). wer es aber besonders 'unkreativ' angehen will, derdiedas kann die diminuierung freilich auch dem algorithmus von chat-GPT überlassen.
nur das noch: die transformation sollte sich auf höchstens 1000 zeichen beschränken.
5. bis 19. oktober, präsentation am 20. oktober 2023
(offene onlineklasse, kostenfreie teilnahme, einstieg jederzeit möglich)
info & teilnahme >> http://sfd.at/fritzostermayer

 

 

fr, 20. oktober 2023, 20h; eintritt frei
"uncreative writing à gogo"
präsentation herbstakademie
fabian navarro, peter waldeck und fritz ostermayer mit autorinnen und autoren der klassen präsentieren in der herbstakademie entstandene texte.
ort: nachbarhaus/usus im schauspielhaus
porzellangasse 19, 1090 wien
in kooperation mit schauspielhaus wien & usus

 

(c) kenneth goldsmith

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rückschau

sfd-herbstakademie 2022 "reality will eat itself" >> http://sfd.at/herbst22

sfd-frühlingsakademie 2023 "dem ende entgegnen. antiapokalyptisches schreiben"

>> http://sfd.at/fruehling23